Dem geradezu absurden Verletzungspech in der Defensive von Bayern München begegnete Leon Goretzka mit Galgenhumor. „Nous hat gesagt, dass er schon einmal dort gespielt hat. Daher konnten wir da von seiner Erfahrung auf der Position profitieren“, sagte der im Pokalspiel bei Preußen Münster kurzerhand zum Innenverteidiger umfunktionierte Mittelfeldspieler Goretzka mit einem Grinsen.
Sein Trainer Thomas Tuchel war nach dem souveränen 4:0 (3:0) in der ersten Runde des DFB-Pokals weniger zu Scherzen aufgelegt. Klar, Goretzka und der in der Innenverteidigung schon „erfahrene“ Außenverteidiger Noussair „Nous“ Mazraoui hatten ihre Sache ordentlich gemacht – bei allem Respekt für den tapferen Drittligisten wurden sie aber auch nicht sonderlich gefordert.
Das wird sich im Topspiel in der Fußball-Bundesliga am Samstag (18.30 Uhr) bei RB Leipzig ändern. Doch ob Tuchel dann wieder auf die angeschlagenen Dayot Upamecano und Min-Jae Kim setzen kann, ist noch offen. Es werde „ein knappes Rennen, das wir zu absolvieren haben“, sagte der Trainer mit Blick auf die Rückkehr seiner Stamm-Innenverteidiger: „Wir versuchen, sie fit zu bekommen, können es aber nicht garantieren.“ Dann schob er noch demonstrativ hinterher: „Aber es ist realistisch und machbar.“
Vor allem ist es enorm wichtig, da der dritte Innenverteidiger, Matthijs de Ligt, noch länger fehlen wird. Mit dem Niederländer rechnet Tuchel „frühestens für Kopenhagen, wahrscheinlich eher Freiburg“ – also in der kommenden Woche. Sollten Upamecano und Kim auch in Leipzig passen müssen, könnten Goretzka und Mazraoui wieder als Alternativen dienen. „Die beiden haben gezeigt, dass es auch mal geht“, sagte Tuchel.
Zu allem Überfluss muss der Coach nun auch noch Serge Gnabry ersetzen, der in Münster eine Fraktur der Elle im linken Unterarm erlitt und nach einer OP „mehrere Wochen fehlen“ wird. „Ein wichtiger Spieler, ein super Charakter“, urteilte Tuchel – nun ist erneut Improvisation gefragt. Thomas Müller könnte für Leipzig wieder fit werden. Wochenlang wurde in München diskutiert, ob der Kader für die hohen Ziele der Bayern nicht zu klein sei – und noch früh in der Saison nimmt die Debatte wieder Fahrt auf. Rächt es sich doch, dass im Sommer nicht noch weitere Spieler geholt wurden?
Tuchels Wunsch nach einem wirklich defensiv denkenden Mittelfeldspieler erfüllten die Bayern-Bosse nicht. Dazu verließen die Verteidiger Lucas Hernandez (Paris St. Germain), Benjamin Pavard (Inter Mailand) und überraschend auch Josip Stanisic (Bayer Leverkusen/Leihe) den Klub – allesamt Stützen, die der Rekordmeister nun gut gebrauchen könnte. Einen Lichtblick gibt es aber doch: Der 20-jährige Frans Krätzig drängt sich mehr und mehr als Alternative auf, in Münster gelang ihm als Ersatz für den verletzten Gnabry sein erstes Tor bei den Profis (45.+5).
„Er haut sich rein, ist spielintelligent und hat eine gute Vorbereitung gespielt. Ich freue mich extrem für ihn“, sagte Goretzka über Krätzig, der am vergangenen Wochenende in der Bundesliga debütiert hatte. Hilft Krätzig womöglich auch bei der Revanche für die Supercup-Pleite gegen RB? Damals „haben wir überhaupt nicht unser Gesicht gezeigt, das war ein sehr schlechter Auftritt von uns“, sagte Goretzka mit Blick auf das 0:3 gegen die Leipziger im August: „Wir haben einiges gutzumachen“. Personalsorgen hin oder her.