Dienstag, 26.November 2024 | 07:32

Debatte um Flüchtlingspolitik: Steinmeier sieht Deutschland „an der Belastungsgrenze“

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Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier dringt auf eine gerechte Verteilung ankommender Migranten in Europa.

Deutschland wie Italien seien bei der Aufnahme von Flüchtlingen „an der Belastungsgrenze“, sagte er der italienischen Zeitung „Corriere della Sera“. Es müsse „gemeinsam und konzentriert an humanen und langfristig tragfähigen europäischen Lösungen“ gearbeitet werden. Er danke Italien dafür, dass es gegenüber „Flüchtlingen, die über das Mittelmeer kamen“, ein „immenses Maß an humanitärer Verantwortung“ gezeigt habe. Nun seien zur Bewältigung der „großen Lasten“, die sowohl Italien als auch Deutschland trügen, eine „gerechte Lastenteilung in Europa“ sowie eine „strengere Kontrolle und Überwachung unserer europäischen Außengrenzen“ nötig.

Bei einem Treffen mit Staatspräsident Sergio Mattarella mahnte er erneut eine europäische Lösung an. „Es geht nicht ohne gemeinsame europäische Regeln.“ Die wachsende Zahl der Flüchtlinge, die in Italien und auch in Deutschland ankämen, brächten Kommunen ans Ende ihrer Leistungskraft. Nötig sei einerseits, dass weniger Menschen ankämen, andererseits aber auch die Bekämpfung von Schleppern. In Deutschland wünscht sich Steinmeier „eine ganz vernünftige Debatte darüber, was an Instrumenten möglich ist“. Es dürfe nicht um Überschriften gehen. „Wir sollten auch nicht von einem hohen moralischen Sockel die einen der Menschenfeindlichkeit bezichtigen und die anderen einer Politik, die Schleusen aufreißt.“

Im Gegenzug müsste sich die EU beispielsweise verpflichten, eine begrenzte Arbeitsmigration aus diesen Ländern zuzulassen. Auch Asylanträge von Drittstaatlern müssten in diesen Partnerländern gestellt werden.

Vize-Regierungssprecher Wolfgang Büchner wollte Steinmeiers Äußerung nicht direkt kommentieren, wonach sich Deutschland an der „Belastungsgrenze“ befinde. Es sei aber richtig, „dass die hohen Zugangszahlen eine große gesamtstaatliche Kraftanstrengung“ nötig machten, sagte er in Berlin. Bund, Länder und Kommunen seien hier „gemeinsam belastet“ und müssten auch „gemeinsam an einer Lösung arbeiten“.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser betonte im Bundestag, es brauche eine „stärkere Steuerung und Ordnung des Migrationsgeschehens“. Ziel müsse aber sein, dass die Binnengrenzen des Schengen-Raums offen blieben, sagte die SPD-Politikerin. Deswegen müsse in den Schutz der EU-Außengrenzen investiert und die Reform des Europäischen Asylsystems GEAS schnellstmöglich umgesetzt werden. Die Ministerin bekräftigte, dass sie an Schleierfahndungen im Grenzgebiet zu Polen und Tschechien festhalten werde. Hier gebe es nun aber die Vereinbarung, mit beiden Ländern eine Polizei-Taskforce zu bilden, um schärfer gegen Schleuser vorzugehen.

In den vergangenen Tagen waren auf der kleinen süditalienischen Mittelmeerinsel Lampedusa Tausende Flüchtlinge aus Afrika an Land gegangen. Die Bundesregierung hatte zuvor das Programm zur freiwilligen Aufnahme von Migranten aus Italien im August ausgesetzt – auch aus Protest dagegen, dass Italien sich derzeit gegen die Rücknahme von Asylsuchenden nach den sogenannten Dublin-Regeln sperrt.

In Italien sind seit Jahresbeginn nach Regierungsangaben mehr als 130.000 Migranten angekommen – und somit bereits fast doppelt so viele wie im gesamten Vorjahr. Bei den gestellten Asylanträgen liegt das Land allerdings deutlich hinter anderen EU-Mitgliedsstaaten: 2022 wurden in Italien 84.000 Anträge gestellt, in Frankreich hingegen 156.000 und in Deutschland 244.000.

Am Vortag hatte sich CDU-Chef Merz der Meinung von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder angeschlossen, dass Deutschland nur die Aufnahme von rund 200.000 Migranten und Flüchtlingen pro Jahr verkraften könne. Die Zahl sei eine Orientierungsgröße, was das Land verkraften könne, sagte Merz.

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