Grausames Verbrechen im Osten Mecklenburgs: In Pragsdorf bei Neubrandenburg ist ein sechs Jahre alter Junge erstochen worden. Das ergab die rechtsmedizinische Untersuchung am Freitag, wie eine Polizeisprecherin sagte. Der Leichnam wies mehrere Verletzungen auf, die von einem – noch unbekannten – Stichwerkzeug herrührten.
„Die Polizei ermittelt wegen Totschlags und geht dabei mehreren Ermittlungsansätzen nach“, sagte der Sprecher der Neubrandenburger Staatsanwaltschaft, Tim Wischmann, der Deutschen Presse-Agentur. Zuvor hatte „Ostseewelle Hit-Radio Mecklenburg-Vorpommern“ darüber berichtet. Ein Tatverdächtiger wurde noch nicht ermittelt. Bis zum Freitagabend gab es keinen neuen Sachstand. „Die Ermittlungen laufen“, sagte eine Polizeisprecherin auf Anfrage.
Der Junge war am Donnerstagabend in einem Gebüsch in der Nähe eines Bolzplatzes an einem See von Feuerwehrleuten mit „massiven Verletzungen am Oberkörper“ gefunden worden. Sofort eingeleitete Wiederbelebungsversuche von Medizinern und ein schneller Transport in eine Klinik blieben erfolglos. Die Ärzte konnten das Leben des Kindes nicht retten.
Die Eltern hatten den Sechsjährigen am Donnerstag wie häufig zum Spielen ins Dorf gelassen. Das Kind wurde dann als vermisst gemeldet, weil es nicht wie vereinbart wieder nach Hause gekommen war. Erste Suchaktionen waren erfolglos geblieben. Die Vermisstenmeldung war laut Polizei kurz vor 20.00 Uhr eingegangen. Beamte umliegender Reviere und Bereitschaftspolizisten hätten den Bereich in Pragsdorf sofort durchsucht, sagte eine Polizeisprecherin. Etwa gegen 21.00 Uhr am Donnerstag wurde der leblose Junge von Feuerwehrleuten gefunden.
In Pragsdorf an der Bundesstraße 104 leben nur 580 Menschen und laut dem Bürgermeister Ralf Opitz vergleichsweise viele Kinder. „Ich hatte mich auch an der Suche beteiligt – bis die Kameraden den schrecklichen Fund gemacht haben“, sagte der 54-Jährige.
Ob der Fundort auch der Tatort ist, da wollte sich Staatsanwalt Wischmann noch nicht festlegen. Anwohner berichteten aber, dass sie am Donnerstag laute Stimmen am Bolzplatz gehört hätten, die möglicherweise von einem Streit herrühren könnten. Am Fundort konnte die Polizei laut Wischmann viele Spuren sichern.
Das Gelände war noch am Freitag weiträumig mit rot-weißem Flatterband abgesperrt. Polizisten und Helfer suchten nach einer Tatwaffe und anderen Beweisstücken. In der Nähe des Sees kam dabei auch ein Metalldetektor zum Einsatz. Auch Taucher rückten an – bisher aber ohne Erfolg, hieß es. Am Nachmittag wurden Suchketten mit je 25 Beamten gebildet. Sie streiften mit langen Eisenstangen systematisch die Fläche ab, sich langsam vom See entfernend.
Im Dorf waren am Freitag überhaupt viel Bewegung. Etliche Reporter versuchten, die Einwohner zu befragen. Aber auch die Bewohner selbst waren unterwegs: Sie wurden von der Polizei in ein Feuerwehr- und Gemeindehaus gebeten, wo sie zu den Ereignissen befragt wurden. Wenn sich Bewohner danach begegneten, tauschten sie sich auch aus.
„Die Anteilnahme und die Aussagebereitschaft sind sehr hoch – das muss nun erst mal aufgeschrieben und verglichen werden“, sagte eine Polizeisprecherin. Sollte man keinen Verdächtigen finden, würden die Ermittlungen am Wochenende fortgesetzt. Auch zum Motiv könne man noch nichts sagen.
Die Gemeinde Pragsdorf hat auf der Internetplattform Facebook ihre Trauer nach dem Tod des Kindes bekundet. „Mit Trauer und Bestürzung haben wir heute früh vom schrecklichen Gewaltverbrechen und dem Tod von J. erfahren. Die Gedanken sind derzeit natürlich vor allem bei der Familie und den Angehörigen“, hieß es. Gleichzeitig bat man darum, brauchbare Hinweise umgehend der Polizei zu melden.
Auf der Facebook-Seite der Gemeinde wurde auch auf eine Spendenaktion für die Familie des toten Kindes hingewiesen. Innerhalb weniger Stunden waren bereits rund 20 000 Euro gesammelt worden.
Am Freitagabend erinnerten die Bewohner Pragsdorfs mit einem stillen Gedenken an den Jungen. Etwa 200 Menschen kamen in die Kirche, um den betroffenen Eltern ihre Anteilnahme zu zeigen, wie Pastor Heye Osterwald sagte. Das Gotteshaus sei – im Beisein der Eltern des getöteten Jungen – bis auf den letzten Platz gefüllt gewesen.
„Die Menschen haben gezeigt, dass sie die Eltern mit ihrer Trauer nicht allein lassen“, sagte Bürgermeister Opitz. Zu dem Gedenken hatte die evangelisch-lutherische Kirchengemeinde Alt Käbelich-Warlin eingeladen, zu der Pragsdorf gehört.
Der Junge ist laut Opitz erst im August eingeschult worden. Das Schweriner Bildungsministerium teilte mit, dass Psychologen die Mitschülerinnen und Mitschüler der Grundschule sowie das Lehrpersonal unterstützen sollen. Zudem sei ein Trauerort in der Schule eingerichtet worden.
„Während uns der Todesfall höchst betroffen und sprachlos zurücklässt, ist es unsere Aufgabe und Pflicht, nun die Familien und Freunde, Mitschülerinnen und Mitschüler sowie Lehrkräfte dabei zu unterstützen, mit der unfassbaren Situation umzugehen“, wurde Mecklenburg-Vorpommerns Bildungsministerin Simone Oldenburg (Linke) zitiert. „Ihnen gilt mein tief empfundenes Mitgefühl.“
Ab Montag werde an der betroffenen Schule für eine gesamte Woche auf Leistungskontrollen verzichtet. Schulpsychologinnen seien vor Ort. An Eltern sei ein Brief mit Unterstützungsangeboten verschickt worden. Betroffene sollen auf Wunsch ebenfalls psychologisch begleitet werden.