Dienstag, 26.November 2024 | 15:42

Neues Mittelfeld in der DFB-Elf?: Flick macht Kimmich anscheinend zur „Randfigur“

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Hansi Flick spielt mal wieder Verstecken. Der 58-Jährige gewährt in seiner richtungweisenden Bewährungswoche als Bundestrainer nur sehr spärliche Einblicke in seine Pläne für die kniffligen Länderspiele an diesem Samstag (20.45 Uhr) in Wolfsburg gegen Japan und im Anschluss gegen Frankreich, in denen er mit der Fußball-Nationalmannschaft einen Stimmungsumschwung im EM-Gastgeberland bewerkstelligen muss.

Das Standard-Training am Donnerstag durfte dabei niemand beobachten. Und auch beim 5:0 im internen Test gegen die U20-Auswahl des DFB waren auf dem Gelände des VfL Wolfsburg tags zuvor keine Beobachter zugelassen. Und doch drang Flicks brisantes Planspiel mit seinem bisherigen Mittelfeldchef und Kapitän Joshua Kimmich via „Bild“ nach außen.

Einiges deutet darauf hin, dass der 28 Jahre alte Kimmich, der sich selbst als Hauptfigur im Zentrum des deutschen Spiels sieht und begreift, wieder mal nach rechts zurückmuss – also an den Rand des Spielfeldes. Dort, wo seine DFB-Karriere einst als Nachfolger von Philipp Lahm begann. Dort, wo er schon bei der letzten EM 2021 aushelfen musste, allerdings ausgesprochen widerwillig.

Im heutigen Fußball muss die Versetzung von der Sechs keine Degradierung mehr sein. Taktik-Nerds haben in die Premier League auf Brighton and Hove Albion geschaut, wo die Außenverteidiger bei Ballbesitz in den Aufbau rotieren und eine Art Kreisverkehr entsteht. Manchester City spielt den einrückenden Rechtsverteidiger mit John Stones, der FC Liverpool mit Trent Alexander-Arnold. Kimmich könnte ein wichtiges Stoppschild sein und dennoch als Verbindungsmann seine geliebten Chip-Bälle absetzen. Eine taktische Erfindung von Pep Guardiola ist das, die jedoch viel Training und Automatismen erfordert, was bei einer Nationalmannschaft eher schwierig ist.

Kimmich allerdings, der so gerne Chef sein möchte, hat immer die Zentrale als Lieblingsposition benannt. Eine Rückversetzung nach rechts dürfte er als Abstufung empfinden. Insbesondere vor der großen Sechser-Debatte dieses Sommers beim FC Bayern, wo Trainer Tuchel unbedingt eine sogenannte „holding six“ haben wollte: ein rein defensiv denkender, den Ball nach Eroberung ohne kreative Ambitionen bei der Acht abliefernder Spieler.“Wir haben nicht einen defensiven Sechser, der mehr an den Schutz der hinteren Zone denkt“, hatte Tuchel argumentiert.

Kimmich oder auch der von Flick aktuell aussortierte Leon Goretzka verfolgten die Sechser-Debatte aufmerksam – und spürbar irritiert. „Ich bin ein Sechser“, sagte Kimmich während der Asienreise des FC Bayern im Sommer. Es klang dabei eher so: „Ich! Bin! Ein! Sechser!“ Er fiel, nachdem Thomas Tuchel ihm öffentlich abgesprochen hatte, derjenigen Unter-Spezies von Sechser anzugehören, die der Bayern-Trainer gerne in sein Spiel einbauen würde. Die Verpflichtung des portugiesischen Nationalspielers João Palhinha vom FC Fulham zerschlug sich zum Unwillen von Tuchel am letzten Tag der Transferperiode, was zu einem weiteren großen Politikum in München wurde.

Ein Positionswechsel im Nationalteam käme für Kimmich gewissermaßen zur Unzeit. Sie wäre seinem Führungsanspruch nicht förderlich. Flick tendiert dazu, den Dortmunder Emre Can zu seiner „holding six“ zu ernennen und Triple-Gewinner İlkay Gündoğan zum Denker und Lenker des Mittelfeldspiels. Einige Jahre lang war das Mittelfeld nicht nur bei Bayern, sondern auch im DFB-Team das gemeinsame Revier von Kimmich und Goretzka.

Flick hat die Variante bislang bisher nicht als fix bestätigt. Er könnte auch Benjamin Henrichs als rechten Verteidiger aufstellen. Der 26-Jährige füllt die DFB-Problemposition in Leipzig seit einiger Zeit konstant gut aus. Von Kimmich würde Flick freilich nur etwas verlangen, was er gerade als obersten Grundsatz auf dem Weg zur Heim-EM postuliert hat: „Jeder Einzelne soll und muss sein Ego hinten anstellen und sich in den Dienst der Mannschaft stellen. Der Star ist die Mannschaft, nicht der Einzelne.“

Flick hat Kimmich schon einmal in die Außenverteidiger-Pflicht gezwungen: als Bayern-Trainer beim Champions-League-Triumph mit dem FC Bayern 2020. Da Benjamin Pavard verletzt war, musste Kimmich beim Finalturnier in Lissabon auch rechts aushelfen.

Aber ist das jetzt auch die beste EM-Lösung? Schließlich will Flick nach den missglückten Länderspiel-Experimenten im März und Juni jetzt „eine Kernmannschaft“ formieren. Und an Kimmich als Stammkraft rütteln allerdings weder Flick noch Tuchel. Daher steht dieser auch in dieser Woche – neben Flick – im Zentrum der Debatten. Er wollte – sozusagen als Klassensprecher der vermeintlich goldenen 1995er-Generation um Goretzka, Gnabry, Süle – eine Ära in der Nationalmannschaft prägen. Bislang steht die Generation Kimmich jedoch für die WM-Flops 2018 und 2022 sowie das frühe EM-Aus vor zwei Jahren.

Der Kimmich von 2023 ist ein gestandener Anführer – auch wenn er, wie in der WM-Dokumentation zu sehen ist, seinen Mitspielern manchmal fürchterlich auf die Nerven geht. Auch er weiß, dass Philipp Lahms Bereitschaft, als Kapitän 2014 ab dem Viertelfinale zähneknirschend den Rechtsverteidiger zu geben, zu einer Kamin-Legende des vierten WM-Titels geworden ist. Zumal die Viererkette als System unausweichlich scheint: Vom Experiment Dreierkette hat sich Flick nach den schlimmen Leistungen im vergangenen Länderspielfenster schnell verabschiedet.

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