Der Verfassungsschutz hat in der jüngeren Vergangenheit häufiger für Schlagzeilen gesorgt – weniger mit seinen jährlichen Berichten zur Bedrohung des Staates durch Feinde der Demokratie, häufiger waren es eigene Fehler, die den Anlass dazu lieferten.
Diese reichten von Ermittlungspannen bei der Mordserie der rechtsextremistischen Terrorgruppe NSU über den Verdacht der Weitergabe von Informationen bis zu undurchsichtigen Waffenfunden in der Schweriner Behörde. Das Fass zum Überlaufen brachten dann wohl Berichte, wonach der Verfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommerns mögliche Hinweise zum Anschlag auf dem Berliner Breitscheidplatz im Dezember 2016 mit 13 Toten nicht rechtzeitig weitergegeben haben soll. In der Folge waren die Leitung des Verfassungsschutzes ausgetauscht und umfangreiche Reformen in der Landesbehörde eingeleitet worden.
Die Neuerungen zeigen nun offenbar Wirkung. Die Behörde habe einen Großteil der notwendigen Veränderungen umgesetzt und sei nun auf einem guten Weg, konstatierte der vom zuständigen Innenministerium eingesetzte Sonderbeauftragte Bernhard Witthaut. Der frühere Polizeibeamte und ehemalige niedersächsische Verfassungsschutzchef legte am Donnerstag in Schwerin sein 46-seitiges Gutachten vor.
Seit Dezember 2022 hatte er Abläufe beim Verfassungsschutz in Mecklenburg-Vorpommern durchleuchtet, gesetzliche Regelungen überprüft und Gespräche mit Mitarbeitern geführt. „Wir haben festgestellt, dass keine strukturellen Fehler im Aufbau der Organisation für die Geschehnisse dort zuständig gewesen sind, sondern tatsächlich fehlerhaftes Verhalten“, betonte Witthaut.
Als Reaktion auf offenkundige Mängel in Führung und Arbeit der Behörde hatten sich SPD und Linke bei der Regierungsbildung im Herbst 2021 auf die Einsetzung eines Sonderbeauftragten verständigt. Zuvor schon war eine Expertenkommission berufen worden, die nach ausgiebiger Analyse 52 Änderungsvorschläge unterbreitete. Nach Einschätzung Witthauts sind die meisten davon komplett umgesetzt worden, einiges bedürfe aber auch eines langfristigen Prozesses. Als besonders hilfreich wertete der Sicherheitsexperte die Einrichtung eines Stabes, der operativ tätige Abteilungen auch von bürokratischen Aufgaben entlaste.
Nach den Worten von Innenminister Christian Pegel (SPD) kooperieren die Bereiche der Informationsgewinnung und -auswertung nun enger. Zudem seien Dienstvorschriften angepasst und Dienstvereinbarungen getroffen worden, und es gebe nun die Möglichkeit zum Homeoffice. All dies habe dazu beigetragen, das interne Klima zu verbessern und die Motivation zu steigern. „Uns ist ein Sprung nach vorn gelungen“, sagte Pegel.
Dieser Sprung steht beim Personal aber noch bevor. Laut Pegel wurden dem Verfassungsschutz – auch aufgrund der deutlich gewachsenen Breite potenzieller Bedrohungen – im Landesetat 23 zusätzliche Stellen bewilligt. Allerdings seien aktuell nur 96 der möglichen 128 Dienstposten besetzt.
Die große Resonanz auf Stellenausschreibungen stimme ihn jedoch zuversichtlich, dass die Lücken nun schrittweise geschlossen werden könnten. Wegen der Besonderheiten der nachrichtendienstlichen Tätigkeit und erforderlicher Sicherheitsüberprüfungen benötigten Einstellungsverfahren aber auch Zeit, erklärte der Minister. Zudem würden für Neueinstellungen gezielt auch Bewerber gesucht, die nicht schon im Polizeidienst seien, sondern andere Expertise mitbringen. „Wir müssen uns insgesamt breiter aufstellen“, betonte der Minister.
Die CDU-Landtagsabgeordnete Ann Christin von Allwörden äußerte sich besorgt über die aktuelle Personalsituation. „Eine sachgerechte personelle Ausstattung ist die Grundvoraussetzung für einen Verfassungsschutz, der seine Aufgaben auch wirklich wahrnehmen kann. Linksextremismus, Islamismus, Rechtsextremismus – die Handlungsfelder sind bekannt“, erklärt sie und erneuerte zugleich ihre Kritik an der Haltung der Linken, die mit Verschwörungstheorien die wichtige Arbeit des Verfassungsschutzes zu delegitimieren versuche.
Deren Abgeordneter Michael Noetzel unterstrich die Forderung der Linken, die parlamentarische Kontrolle des Verfassungsschutzes durch die zuständige Kontrollkommission PKK zu intensivieren. „Die PKK muss sich von einer Informationsrunde zu einem tatsächlichen Kontrollorgan entwickeln. Dazu gehören wirksame Kontrollmechanismen, ein transparenter Umgang mit Erkenntnissen sowie eine bessere Ausstattung und Organisation des Gremiums“, sagte Noetzel. Witthaut allerdings hatte festgestellt, dass der Landtag über umfassende Kontrollbefugnisse verfüge, die dieser auch nutzen könne.
David Wulff von der FDP-Fraktion mahnte das Innenministerium, die erforderlichen Reformen weiterzuführen. „Meine Sorge ist aber, dass dieses wichtige Gutachten jetzt einfach in der Schublade landet. Den Erkenntnissen müssen auch Taten folgen“, forderte Wulff. Extremismus, Terrorismus und die Einflussnahme ausländischer Mächte seien eine Bedrohung für die Demokratie und eine offene Gesellschaft. Um diesen Herausforderungen gewachsen zu sein, müsse der Verfassungsschutz besser aufgestellt werden. Bei der personellen Ausstattung bestehe ein erheblicher Nachholbedarf, sagte auch Wulff.