Einer beschleunigten Genehmigung des Flüssigerdgas-Terminals (LNG) im Hafen Mukran auf Rügen haben Bundestag und Bundesrat am Freitag den Weg geebnet. Die Aufnahme des Projektes in das LNG-Beschleunigungsgesetz fand in beiden Häusern eine Mehrheit, blieb jedoch nicht ohne Widerspruch.
Während im Bundestag die Opposition Front gegen das Gesetz machte, versuchte im Bundesrat das Land Mecklenburg-Vorpommern vergeblich, die Gesetzesänderung durch ein Anrufen des Vermittlungsausschusses aufzuhalten. Es erhielt dafür in der Länderkammer keine Mehrheit.
„Zur Sicherung der Energieversorgung wird mit Mukran auf Rügen ein neuer Standort aufgenommen, bei dem sich eine Realisierbarkeit für den Import von LNG abzeichnet und der perspektivisch weiterentwickelt werden kann für eine Nutzung der Hafeninfrastruktur und Leitung mit Wasserstoff und dessen Derivaten“, heißt es in dem Gesetz.
Das Unternehmen Deutsche Regas will im Auftrag der Bundesregierung ein schwimmendes Import-Terminal für LNG im Hafen Mukran bei Sassnitz betreiben. Hierzu sollen zwei Spezialschiffe zur Umwandlung des Flüssiggases dort vor Anker gehen, eines – die „Neptune“ – liegt bereits im Hafen Lubmin. Wegen der leichteren Anlandung soll sie gemeinsam mit der Mitte Juni gesicherten sogenannten FRSU „Transgas Power“ umziehen. Insgesamt will Regas so eine Gesamtkapazität von 13,5 Milliarden Kubikmetern Erdgas jährlich sicherstellen.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck verteidigte die umstrittenen Pläne. Der Grünen-Politiker sprach im Bundestag mit Blick auf Proteste gegen das Terminal von einer schwierigen Abwägung. Es gehe aber darum, die Energieversorgung Deutschlands zu sichern. „Wir sind noch nicht durch.“ Habeck sagte, derzeit gebe es eine stabile Gasversorgungslage, die Gasspeicher seien bereits zu über 80 Prozent gefüllt. Man sollte sich aber nicht darauf verlassen, dass immer alles gut gehe.
In einer nach der Bundesratsentscheidung versendeten Mitteilung machte das Bundeswirtschaftsministerium zudem klar, dass spätestens bis Ende 2043 ein klimaneutraler Weiterbetrieb der LNG-Infrastruktur mit Wasserstoff oder seinen Derivaten sichergestellt werden müsse. Das Gesetz soll laut dem Bundesministerium nächste Woche in Kraft treten.
Der CDU-Abgeordnete Philipp Amthor warf der Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP vor, das Vorhaben an den Interessen der Menschen vorbei „mit der Brechstange“ durchs Parlament zu prügeln. Sein Parteikollege Philipp Grundmann kritisierte Standortwahl und Verfahren: „Wir brauchen LNG, wir brauchen Flüssiggas. Es geht nicht um das Ob, es geht hier allein um das Wie.“ Der AfD-Abgeordnete Leif-Erik Holm zweifelte an der Notwendigkeit des Vorhabens und verwies auf den Widerstand vor Ort: „Die Rüganer verscherbeln doch nicht die Ostseeküste für ein paar Glasperlen aus Berlin.“ Ina Latendorf von der Linken beklagte: „Die Leute fühlen sich nicht ernst genommen, es soll über ihre Köpfe hinweg entschieden werden.“
Bengt Bergt von der SPD betonte hingegen: „Mit der Möglichkeit für den Standort Mukran schaffen wir Versorgungssicherheit für ganz Deutschland.“ Auch der energiepolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Michael Kruse, verwies auf die Versorgungssicherheit: „Wir sorgen dafür, dass weitere Kapazitäten da sind und wir nicht angreifbar sind.“
Die Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern stellt sich gegen die Pläne der Bundesregierung. Landesumweltminister Till Backhaus (SPD) machte bereits am Donnerstagabend klar, dass dem Land verbindliche Zusagen des Bundes zur Förderung der Region fehlen, auch beim Thema Wasserstoff sei bisher keine Perspektive aufgezeigt worden. Unter diesen Umständen lehne man das Projekt ab.
Im Bundesrat machte Backhaus am Freitag zudem klar, dass sein Land durchaus bereit ist, seinen Beitrag zur sicheren Energieversorgung Deutschlands zu leisten. Neben dem bereits bestehenden privaten Terminal in Lubmin wäre auch Rostock bereit, LNG-Infrastruktur aufzunehmen. Rügen aber sei ein „äußerst sensibler Raum“, so der Minister. Er warf der Bundesregierung vor, durch mangelnde Kommunikation und Transparenz die Auseinandersetzung um das Vorhaben verursacht zu haben.
Auch bei der Länge des Betriebs ist aus Sicht von Backhaus noch nicht das letzte Wort gesprochen. „Das Terminal für 20 Jahre zu betreiben werden wir nicht akzeptieren“, sagte er in einem Pressegespräch. Auch ob und wann eine Genehmigung erfolgt, sei zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht zu sagen: „Die Antragsunterlagen für das Gesamtvorhaben liegen bisher nicht vor oder sind unvollständig“. Eine Genehmigung von Teilabschnitten – ohne positive Gesamtprognose – schloss er zudem aus.
Kurz nach dem Beschluss des Bundestages kündigte zudem die Gemeinde Binz – welche in Sichtweite des Hafens Mukran liegt – an, vor dem Bundesverwaltungsgericht juristisch gegen die Entscheidung vorgehen zu wollen. Mit mehreren Einstweiligen Anordnungen soll ein Baustopp erreicht werden. Seit Monaten hatten Bürgerinitiativen auf der Insel gemeinsam mit Kommunalvertretern demonstriert.
Auch darüber hinaus hat sich ein breites Bündnis aus Umweltverbänden, Ökonomen und der Tourismuswirtschaft gegen das LNG-Terminal Mukran formiert. Neben möglichen Auswirkungen auf Umwelt und Tourismus wird auch hier die Notwendigkeit der zusätzlichen Importkapazitäten angezweifelt. „Entgegen der Bedarfslage neue fossile Strukturen inmitten eines Meeresschutzgebiets aufzubauen, ist der Abschied von einer konsequenten grünen Energiewende und untergräbt das Bekenntnis der Regierung zum 1,5 Grad-Limit“, sagte Finn Viehberg, Leiter des WWF Ostseebüros. Das Gesetz nannte er eine „Fehlentscheidung zu Lasten von Meeresnatur und Klimaschutz“.