Hansi Flick verfolgte den nächsten bitteren Länderspiel-Flop am Ende wie versteinert auf seinem wankenden Trainerstuhl, von den Rängen hagelten Pfiffe für die völlig verunsicherte Nationalmannschaft und ihren angeschlagenen Chef. Und oben auf der VIP-Tribüne in Gelsenkirchen blickten DFB-Präsident Bernd Neuendorf sowie Direktor Rudi Völler ratlos drein.
Der hilflose Bundestrainer Flick und seine verzagte Elf gehen mit einer schweren Hypothek in die EM-Saison. Das abermals neuformierte DFB-Team unterlag auch giftigen Kolumbianern verdient 0:2 (0:0). Der Druck auf Flick steigt und steigt, er sieht nach nur drei Siegen in einer völlig missratenen Saison einem unruhigen Sommer entgegen – trotz Jobgarantie.
„Ich weiß nicht, ob bedenklich reicht. Es ist dramatisch, das muss man ganz klar sagen“, sagte Leon Goretzka geknickt bei RTL. „Es fehlt an allen Ecken und Enden. Das ist summa summarum viel zu wenig.“ Im September gegen Japan und Frankreich müssen dringend Ergebnisse her. Dann, versprach Flick, „wird alles ganz anders ausschauen“ – und die Fußball-Nation endlich seine EM-Elf zu sehen bekommen, um die erhoffte Turniereuphorie zu schüren.
Liverpool-Stürmer Luis Diaz (54.) brachte den Weltranglisten-17. in Führung, die Dreierkette sah dabei schlecht aus. Flicks Mannschaft stemmte sich mit Vehemenz gegen die Niederlage, ihr wütender Chef stellte nach einer guten Stunde auf Viererkette um. Doch der 42 Sekunden zuvor eingewechselte Joshua Kimmich verursachte einen Handelfmeter, den Kolumbiens Kapitän Juan Cuadrado (82.) zur Entscheidung nutzte.
In der schwül-warmen, nicht ausverkauften Arena wurden Flick und seine Stars von 50.421 Fans wohlwollend empfangen. Doch bei allem Einsatz unterliefen ihr zu viele Fehler, vor allem im Aufbau. Auch der zurückgekehrte Triple-Held Ilkay Gündogan spielte unauffällig, die Strafraumbesetzung war ungenügend. Flick wurde bald ungeduldig und schimpfte. Zur Pause gab es Pfiffe.
Seine Experimentierphase setzte Flick wie angekündigt fort und brachte in seinem 3-4-2-1-System fünf neue Spieler. Einzige Konstante in allen drei Juni-Länderspielen war damit Antonio Rüdiger: Nur der Abwehrchef hatte auch gegen die Ukraine (3:3) und in Polen (0:1) begonnen.
„Wir wissen, um was es geht, dass wir Erfolgserlebnisse brauchen“, versicherte Flick und ergänzte mit Blick auf die Heim-EM 2024: „Sonst wird es zu schwer.“ Seine Elf versuchte viel, war nach vorne um Kreativität bemüht. Dort hatte Flick „einen Schwerpunkt“ angekündigt.
Die Abwehr um den unerwartet in der Zentrale aufgebotenen Emre Can blieb im Fokus. Thiaw rettete in großer Not gegen den durchgebrochenen Diaz (28.), zwei Minuten später parierte ter Stegen gegen Mina. Dann hatte die DFB-Elf Glück, als Robin Gosens mit der Hand am Ball war, der mögliche Elfmeterpfiff aber ausblieb (31.).
Im umgebauten Mittelfeld mit Gündogan, Leon Goretzka und Jamal Musiala gingen zu viele Bälle verloren. Sturmspitze Kai Havertz, den Flick abermals Niclas Füllkrug vorzog („Kai bringt uns noch mehr“), kam kaum durch. Immerhin legte er Musiala die erste Chance auf (45.). Doch auch nach dem Seitenwechsel gab es für Flick reichlich Anlass, sich zu ärgern. Eine einfache Flanke von Cuadrado an den Fünfer genügte, und Diaz köpfte freistehend ein. Jhon Arias (58.) hatte das 0:2 auf dem Fuß. Flick brachte Joker Füllkrug. „Er wird uns einen extra Schub geben“, hatte er angekündigt. Mit dem Bremer war mehr los im Sechzehner, doch es reichte nicht zu mehr.