Vor dem Amtsgericht Rostock hat der Strafprozess in einem Fall begonnen, der bereits Thema einer Crime-Time-Dokumentation in der ARD unter dem Titel „Der Trauerschwindler“ war.
Ein Bestatter soll Frauen in emotionalen Ausnahmesituationen getroffen, mit ihnen Beziehungen angefangen und sie dann um Geld betrogen haben. Vor dem Rostocker Amtsgericht geht es um drei Frauen und elf mutmaßliche Betrugsfälle zwischen 2016 und 2018 und eine Summe von insgesamt 200.000 Euro.
Er habe nie den Vorsatz gehabt, die Frauen zu betrügen, ließ der 49 Jahre alte Angeklagte gleich zum Prozessauftakt über seinen Anwalt erklären. Anders als in der TV-Dokumentation äußerte er sich später vor Gericht am Dienstag auch selbst und beantwortete Fragen der Richterin. Als erste Zeugin sagte eine 64-jährige Frau aus Krakow am See (Kreis Rostock) aus. Sie und der Angeklagte kannten sich von früher flüchtig aus dem Ort. 2017 starb der Ehemann der Zeugin und der Angeklagte übernahm die Bestattung und Formalitäten.
Man traf sich mehrmals. Er nahm sie in den Arm. „Das fand ich zunächst total daneben“, erinnerte sich die Frau. Dann fand sie es aber doch tröstend, bat ihn später selbst, sie in den Arm zu nehmen. Sie habe nach dem Tod ihres Mannes eine Leere gespürt, sei allein gewesen, habe mit der Situation nach 40 Ehejahren nicht umgehen können. „Dann hat sich das so ergeben.“ Es entstand eine sexuelle Beziehung, zu der der Angeklagte sagte, dass es beiden nur um den „Spaßfaktor“ gegangen sei. „So einfach ist das.“
Die Frau sah das offenbar anders. Jedenfalls ging sie auf die geschilderten finanziellen Nöte des Mannes ein, der in Krakow für 900 000 Euro ein Haus kaufen wollte, wo sein Sohn eine Bestattungsfiliale betrieb. Nach Angaben des Anwalts hatte das Unternehmen auch einen Vertrag mit der Polizei, der verlängert werden sollte. Dabei spielte auch der Standort Krakow eine Rolle. In mehreren Tranchen gab die 64-Jährige, die selbst Unternehmerin ist, dem Mann Geld. Mal 30.000 Euro, mal 10.000 Euro, mal 19.000 Euro, mal in bar, mal als Überweisung.
Sie habe ihm die Hilfe angeboten, ihn für fleißig und einen Geschäftsmann gehalten. Doch die zugesicherten Rückzahlungen blieben aus. Insgesamt bekam sie nur 8000 Euro von rund 140 000 Euro wieder. „Er ist ein Meister der Manipulation“, sagte die Frau. „Ich war wie unter Hypnose.“ Erst als sie ihren Sohn zu Rate zog, der selbst Geschäftsführer eines Start-ups ist, sei sie aufgewacht. Der Sohn sagte ihr nach einem gemeinsamen Treffen mit dem Angeklagten: „Mama, Dein Geld siehst Du nie mehr wieder.“
Im April 2018 sei für sie dann endgültig Schluss gewesen. Von da an habe sie dem Angeklagten kein Geld mehr gegeben. Dieser habe mit einer absurden Geschichte dann die Trennung verkündet und behauptet, er sei in einem Zeugenschutzprogramm und zur Tarnung mit einer Frau und zwei Kindern zusammen.
In der TV-Dokumentation kommen mehrere Frauen zu Wort, die mutmaßlich von dem Angeklagten betrogen wurden. Eine junge Mutter hatte erst kürzlich ihr Kind verloren. „Sie findet bei ihm Halt, freundet sich mit ihm an und glaubt an eine echte Beziehung“, hießt es in dem Film. Der Angeklagte selbst hatte sich in dem Film auf Anraten seines Anwaltes nicht zu den Vorwürfen geäußert, aber sein Anwalt Benjamin Richert, der mit ihm am Dienstag auch im Amtsgericht war, gab ein Interview.
Er betonte in der Doku, dass es nicht strafbar sei, Beziehungen zu mehreren Frauen zu führen und nett zu ihnen zu sein oder ihnen etwas zu versprechen. Es sei erst strafbar, wenn damit eine Täuschung verbunden sei, die den anderen zu einer Vermögensverfügung veranlasse. Aus seiner Sicht sei das nicht der Fall.
Es sei zudem eine freie Entscheidung der Frauen gewesen. „Dafür haben sie ja auch etwas bekommen. Sie haben mit meinem Mandanten fast wöchentlich geschlafen, und das auch sehr genossen.“ Die TV-Dokumentation wies in ihrem Vorspann auf den Grundsatz hin: „Bis zu einem rechtskräftigen Urteil gilt die Unschuldsvermutung.“ Der Prozess wird nächsten Dienstag fortgesetzt.