Der FC Bayern ist nicht mehr Tabellenführer der Fußball-Bundesliga. In Leverkusen liegt Schiedsrichter Tobias Stieler zweimal komplett daneben, wird zweimal vom Videoassistenten korrigiert – und zweimal jubelt Bayer kurz darauf. Für die Münchner ist es die dritte Pleite der Saison.
Oliver Kahn warf sich verzweifelt in seinem VIP-Sitz hin und her, Trainer Julian Nagelsmann schlug sich wütend mit der Handfläche gegen die Stirn. Bayern München hat im Titelrennen nach dem Offensivfeuerwerk von Borussia Dortmund auf kuriose Weise gepatzt und ist krachend von der Tabellenspitze gestürzt. Der Abonnementmeister verlor 1:2 (1:0) bei Bayer Leverkusen, gab eine Führung aus der Hand und liegt in der Tabelle vor dem Ligagipfel in zwei Wochen plötzlich einen Punkt hinter dem BVB. Dortmund, der einzig verbliebene Herausforderer um die Meisterschaft, hatte am gestrigen Samstag ein 6:1 gegen den 1. FC Köln vorgelegt. Der FC Bayern ist erstmals seit dem zwölften Spieltag nicht Tabellenführer.
„Leverkusen hat das sehr gut gemacht, sie waren giftig und unangenehm“, stellte Thomas Müller bei DAZN mit grimmiger Miene fest. „Diese Niederlage ist leider verdient. Der FC Bayern steht nicht dort, wo er eigentlich stehen soll.“ In der Länderspielpause müsse sich die Mannschaft deshalb „so einige Fragen stellen“. Und dann? „Wir müssen auf jeden Fall gewinnen, sonst wird es schwierig, die Meisterschaft zu holen“, sagte Nagelsmann.
Die Münchner wackelten in Leverkusen bedenklich. Bevor Joshua Kimmich (22.) die erste Chance zur Führung nutzte, hatte Leverkusen ein deutliches Übergewicht. Mit hohem Pressing ließ das Team des früheren Bayern-Profis Xabi Alonso dem Rekordmeister kaum Zeit und Platz – es haperte zunächst einzig an der Effizienz.
Leverkusen drehte das Spiel durch Exequiel Palacios, der in der 55. und 73. Minute Foulelfmeter verwandelte. Schiedsrichter Tobias Stieler benötigte bei beiden Strafstößen kräftige Unterstützung seines Video-Assistenten. Stieler gab in beiden Fällen Amine Adli zunächst Gelb wegen einer vermeintlichen Schwalbe, nahm die Karten aber dann jeweils zurück. Gravierende Fehleinschätzungen, die Leverkusen ohne VAR-Korrektur wohl um den Sieg gebracht hätten.
Leverkusen begann stark und schwungvoll. FCB-Keeper Yann Sommer war aufmerksam bei einer direkt aufs Tor gezogenen Ecke von Kerem Demirbay (10.), dann parierte er gegen Jeremie Frimpong (16.), unmittelbar davor verfehlte Moussa Diaby aus der Distanz knapp (15.). Wie es besser geht, zeigten die Bayern: Nach einer Flanke von João Cancelo legte Leon Goretzka auf Kimmich ab, der aus elf Metern mühelos verwandelte. Der Gegentreffer nahm Leverkusen etwas den Schwung und die Überzeugung der Anfangsphase, beide Teams neutralisierten sich weitgehend.
Thomas Müller und Sadio Mané, die im Wechsel versuchten, den verletzten Torjäger Eric Maxim Choupo-Moting zu ersetzen, hatten kaum Bindung zum Spiel. Entsprechend nahm Nagelsmann das glücklose Duo und Cancelo nach der Pause vom Platz, dafür kamen vor den Augen von Bundestrainer Hansi Flick nun Kingsley Coman, Jamal Musiala und Serge Gnabry.
Doch auch mit den drei Neuen übernahmen die Bayern nicht die Kontrolle. Nach einem Tritt von Benjamin Pavard auf Adlis Fuß gab Schiedsrichter Tobias Stieler nach Sichtung der Videobilder einen Elfmeter, den Palacios souverän verwandelte. Die Bayern erhöhten in der Folge den Druck und investierten mehr, nach einem überragenden Solo und Doppelpass mit Gnabry verzog Musiala knapp (68.). Doch wieder leisteten sie sich einen Patzer: Dayot Upamecano traf Adli, wieder gab es erst Gelb, dann Elfmeter – und wieder traf Palacios.
In zwei Wochen kommt es in München zum Duell mit dem BVB, die Länderspielpause dürften Nagelsmann und sein Dortmunder Trainerkollege Edin Terzić nun mit Analysen und Videostudien verbringen.