Freitag, 20.September 2024 | 10:47

Paris “ist unser Schicksal” Ein Duell, das über den FC Bayern und Nagelsmann richtet

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In zwei Spielen entscheidet sich, wie schwer der FC Bayern international noch ist. Mit Paris St. Germain wartet im Achtelfinale der Champions League eine wankende Superstar-Truppe. Der Anspruch der Münchner ist hoch, ein Knockout würde vieles verändern.

Als der Wattenscheider Junge Hamit Altintop der Welt am 7. November des vergangenen Jahres das Giganten-Duell zwischen dem FC Bayern und Paris St. Germain bescherte, da war sofort klar: Dieses Duell im Achtelfinale der Champions League wird das Schicksal des Verlierers maßgeblich beeinflussen. Ein Ausscheiden in der ersten K.-o.-Runde, das ist in beiden Welten nicht vorgesehen. Nicht in der als familiär geheiligten des FC Bayern und erst recht nicht in der mit grenzenlos erscheinenden Investitionen nur auf den Königsklassen-Triumph ausgerichteten von PSG. Aber der Modus ist gnadenlos: Einer fliegt und muss fortan das eigene Selbstverständnis korrigieren.

Und es mangelt nicht an Deutlichkeit der Mission. “Ich habe schon öfter gesagt, dass der FC Bayern international erfolgreich sein muss”, sagte etwa der Münchner Klubchef Oliver Kahn vor dem Hinspiel in Paris am Dienstag (21 Uhr/Prime Video und im Liveticker bei ntv.de): “Wir werden daran gemessen, dass wir in der Champions League ganz vorne mitspielen!” Zuletzt gelang das im Spätsommer 2020, als der Henkelpott dank Kingsley Coman an die Säbener Straße geholt wurde. PSG war mit 1:0 besiegt worden.

In der Folgesaison nahmen die Katar-Franzosen Revanche und schubsten den FC Bayern im Viertelfinale aus dem Wettbewerb. Es war ein K.o., der verkraftbar war, weil es gigantischer Fight war. Und weil nur die damals noch geltende Auswärtstorregel das Duell zugunsten der Pariser entschied. Weit weg von peinlich. Als das wurde das Ausscheiden gegen den mutigen Dorfklub FC Villarreal in der ersten Spielzeit unter der Verantwortung von Coach Julian Nagelsmann bewertet. Nach 1:0 und 1:1 war ebenfalls schon im Viertelfinale Schluss.

Nun erlebt der Trainer in München sehr schwierige Wochen und spürt dabei den größtmöglichen Druck. Paris, sagte Kahn mit Blick auf das bereits sechste Duell seit 2017, “ist unser Schicksal”. Ob das auch für Nagelsmann gilt? Ein Ausscheiden im Achtelfinale, zumal der Gegner heftig wankt, hätte unabsehbare Folgen für den Coach, der nach der Weltmeisterschaft von einer Turbulenz in die nächste gestürzt ist. Erst die Ergebniskrise in der Liga, dann die Formschwankungen von Leistungsträgern wie Leroy Sané und Serge Gnabry, der zudem noch mit einem extravaganten Modetrip nach Paris für Aufsehen gesorgt hatte, und schließlich noch der belastende Fall “Toni Tapalovic/ Manuel Neuer”, der damit endete, dass der Torwarttrainer flog und der Torwart abrechnete.

Dass die Bosse sich in München auf die Seite von Nagelsmann geschlagen haben, untermauert einmal mehr das Vertrauen, das sie in den jungen Trainer haben. Den sie vor anderthalb Jahren für eine Weltrekordablöse von 25 Millionen Euro von RB Leipzig freikauften und ihn mit einem Fünfjahresvertrag ausstatteten. Aber auch Vertrauen kennt Grenzen: Erfolg. Und bislang hat Nagelsmann “nur” eine Meisterschaft als großen Titel stehen. Eine zweite ist in dieser Saison natürlich möglich, allerdings ist der Titelkampf so spannend wie ewig nicht. Dass es so extrem eng zu geht, ist gut für die Liga. Nicht aber für das angespannte Nervenkostüm des Rekordmeisters. Erst recht in diesen Wochen. Denn nichts fürchten sie in München mehr, als international abgehängt, verzwergt zu werden. “Die Champions League ist wichtig für den Klub und wichtig für mich”, sagte der Coach in Paris. Er wolle den Henkelpott gewinnen, “bevor ich nur noch gebückt gehen kann”. Noch aber “gehe ich aufrecht”.

Wie es um die Stimmung bestellt ist, hat das schnöde 3:0 gegen den VfL Bochum offenbart. Nagelsmann schlug Alarm, manche Medien schrieben von einem Hilferuf. Der Trainer bügelte das nun mit dem Abstand von ein paar Tagen vehement ab. “Generell bin ich immer dafür offen, das Spiel so zu schildern, wie ich es gesehen habe. Was man aus der Medienlandschaft dafür zurückbekommt, ist nicht immer Dankbarkeit.” Generell schließe er sich in Kritik immer mit ein. Punkt. Aber die Sache ist für den Trainer eben so: Im Bochum-Modus wird es gegen Paris nicht reichen. Das Erklingen der Champions-League-Hymne soll für ein ganz anderes Energielevel auf dem Platz sorgen. “Ich hoffe mal, dass der Reiz des Wettbewerbs, der Reiz des Duells die Frische in den Kopf bringt.”

Der arbeitet auch bei Nagelsmann gerade auf Hochtouren. Obwohl er zuletzt mit Dreierkette Erfolg hatte, dürfte er zur Konterabsicherung die altbewährte Viererreihe wählen. Im Mittelfeld übernimmt Joshua Kimmich, der bei der Ankunft am Hotel Pullman mit den Fans posierte, nach seiner Sperre gegen Bochum wieder die Chefrolle. In der Offensive könnten die ehemaligen PSG-Spieler Coman und Eric Maxim Choupo-Moting den Vorzug vor Sané, dessen Form und Laune derzeit wieder in den Keller sinkt, und Gnabry erhalten. “Aktivität, Energie, Aggressivität, Mentalität”, das sind die Stichworte, die Sportvorstand Hasan Salihamidžić seinen Fußballer zuraunte. Es sind Dinge des einfachsten Fußball-ABCs. Es ist Druck auf dem Kessel.

Paris mit Messi und Mbappé ist natürlich ein anderes Kaliber als ein Paris ohne M & M. “Das sind zwei Spieler mit sehr besonderen Fähigkeiten, die den Unterschied ausmachen”, urteilte Nagelsmann: “Wenn bei uns zwei Topspieler ausfallen, sind wir wahrscheinlich auch einen Tick schwächer.” In der Tat: Vor zwei Jahren, als die Bayern gegen PSG im Viertelfinale unglücklich ausschieden, fehlte Robert Lewandowski in Hin- und Rückspiel verletzt. Mbappé war damals übrigens beim 3:2-Hinspielsieg in München mit zwei Treffern der Matchwinner für PSG, das bis ins Halbfinale vorstieß und dort von Pep Guardiolas Manchester City ernüchtert wurde. Finale, Halbfinale – das katarisch finanzierte Starensemble fühlte den Henkelpott in greifbarer Nähe.

Doch dann folgte in den vergangenen Saison der surreale Achtelfinal-Schock gegen den späteren Triumphator Real Madrid. Das Hinspiel gewann PSG 1:0, im Rückspiel führte man bis zur 60. Minute ebenfalls 1:0. Das Ding schien durch, ehe Weltfußballer Karim Benzema wie eine weiße Lawine über die Paris hinwegdonnerte. Nach dessen Toren in der 61., 76. und 78. Minute stand es plötzlich 3:1 – und PSG war ausgeschieden.

Es gibt einiges zu heilen. Die Wunden des vergangenen Jahres, die aufschreckenden Darbietungen zuletzt. Das Aus im Pokal bei Erzrivale Marseille (1:2) und die verpatzte Generalprobe in der Liga mit einem schwachen Neymar in Monaco (1:3) haben Spuren hinterlassen bei dem von Katar alimentierten Starensemble. Mit Christophe Galtier droht der nächste Trainer unter der milliardenschweren Last zu zerbrechen. Es ist schon eine seltsame Geschichte, dass dieser Gipfel der Giganten durch all die Probleme zu einem Gipfel der Angeschlagenen wird. Aber eines bleibt: Dieses Duell wird das Schicksal des Verlierers maßgeblich beeinflussen.

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