Der Markt hat mit dem freien Spiel von Angebot und Nachfrage die Lebensmittelpreise in Deutschland lange auf niedrigem Niveau gehalten. Seit Monaten aber schießen die Preise in die Höhe. Eine große Mehrheit der Verbraucher wünscht sich staatliche Eingriffe.
Angesichts der Preisexplosion in Supermärkten und bei Discountern befürwortet die breite Mehrheit der Menschen in Deutschland einer Umfrage zufolge nun auch staatliche Eingriffe bei den Lebensmittelpreisen. Ein Szenario, vor dem viele Ökonomen warnen. „Die Kundschaft erlebt die Teuerung bei Lebensmitteln als so schwerwiegend, dass sie alle Wege nutzen möchte, um wieder günstiger einkaufen zu können“, fasste die Handelsexpertin Vanessa Seip von der Unternehmensberatung Oliver Wyman das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage unter 1000 Konsumentinnen und Konsumenten in Deutschland zusammen.
In der Umfrage sprachen sich 91 Prozent der Befragten für staatliche Interventionen wie gesetzlich festgelegte Preisobergrenzen oder Subventionen für Lebensmittel aus. Nur neun Prozent waren der Ansicht, die Regierung solle sich aus der Preisbildung heraushalten. Möglicherweise inspiriert vom Tankrabatt und der Gaspreisbremse befürworteten rund die Hälfte der Befragten eine Obergrenze für Preissteigerungen je nach Produktgruppe. Ein Drittel der Befragten sahen staatlich gesetzte Preisdeckel für einen durchschnittlichen Einkaufskorb als Lösung.
Für viele Ökonomen sind staatliche Preisgrenzen ein Horrorszenario. Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman nannte die Idee „wahrhaft dumm“. Die Liste an fehlgeschlagenen Versuchen, per staatlichem Diktat Preise einfach festzulegen und die Inflation damit einzugrenzen, ist lang. Oft kommt es zu Engpässen, wenn es sich für Hersteller und Händler nicht rechnet, Waren und Dienstleistungen zum festgelegten Preis anzubieten. Zuletzt musste Ungarn eine entsprechende Regelung für die Spritpreise aufheben, da das Land nicht mehr ausreichend beliefert wurde. Auch den Berliner Mietendeckel, der zu einem Einbruch bei den angebotenen Mietwohnungen führte, ordnen viele Ökonomen in die Kategorie gescheiterte Preiskontrolle ein.
Angesichts der aktuellen Krisen mit extremen Preissteigerungen bei der Energie und gestörten Lieferketten plädiert aber eine zunehmende Zahl von Wirtschaftswissenschaftlern für neue Formen von Preiskontrollen. Dazu gehört die Deckelung des Preises oder die Subventionierung für einen begrenzten Grundbedarf. Dadurch sollen ein Sparanreiz erhalten und die Wirkungen von Angebot und Nachfragen nicht ganz ausgeschaltet werden. Diese Idee liegt etwa der sogenannten Gaspreisbremse der Bundesregierung zugrunde.
Bewerteten im Jahr 2020 noch 79 Prozent aller Konsumenten die Leistung des Einzelhandels als gut oder sehr gut, rutschte der Wert binnen zwei Jahren auf 36 Prozent ab. Bereits 18 Prozent halten die Performance des Handels der Umfrage zufolge für unzureichend oder schwach. „Anders als in der Coronakrise, als Verbraucher ihren Händlern und deren Schutzkonzepten ein gutes Zeugnis ausgestellt haben, fühlen sie sich in Zeiten der Inflation alleingelassen“, sagte Seip.