Die Polizei Mecklenburg-Vorpommerns ist nach Angaben von Innenminister Christian Pegel (SPD) künftig besser gegen rechtsextremistische Umtriebe innerhalb ihrer Einheiten gewappnet. An vielen Stellen seien Konsequenzen aus den 2019 bekannt gewordenen Verfehlungen einzelner Beamter aus dem Spezialeinsatzkommando (SEK) gezogen, strukturelle Veränderungen vorgenommen worden. Der Prozess sei „teils sehr schmerzhaft“, aber auch notwendig gewesen, sagte Pegel am Donnerstag in Schwerin. Zuvor hatte er den Innenausschuss des Landtags über die Umsetzung der Reformvorschläge einer vom Ministerium eingesetzten Expertenkommission unterrichtet.
Nach dem Treffen gab Pegel den bisher unter Verschluss gehaltenen Abschlussbericht der Kommission frei, der unter anderem der frühere Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Heinz Fromm, angehörte. In dem mehr als 100 Seiten umfassenden, teilweise geschwärzten Bericht attestieren die Experten Führungskräften sowohl im SEK als auch im übergeordneten Landeskriminalamt „mangelnde Aufmerksamkeit und fehlende Konsequenz“.
Zwar habe es Hinweise auf Abschottung und mögliche rechtsextremistische Tendenzen in einer der vier SEK-Gruppen gegeben. Doch sei darauf nicht reagiert worden. Kritisiert wurde zudem ein zu großes Aufgabenspektrum für das „relativ kleine“ SEK und eine unausgewogene Führungskultur. Im Ergebnis ihrer Untersuchungen hatte die Kommission Ende 2019 laut Pegel Handlungsempfehlungen für 20 Bereiche vorgelegt.
Der größte Teil der Arbeit sei getan, stellte Pegel nun fest. So sei die SEK-Führungsgruppe – wie von den Experten angemahnt – von administrativen Tätigkeiten entlastet und personell aufgestockt worden. Früheren, allerdings unbestätigten Angaben zufolge umfasste das SEK insgesamt 40 bis 45 Mitglieder, die wöchentlich zu ein bis zwei Einsätzen ausrücken. Das Ministerium verweigert unter Hinweis auf polizeitaktisch Erwägungen konkrete Aussagen zur Truppenstärke.
Wie Pegel weiter sagte, wurden in den SEK-Teams Formate für eine offene Kommunikation etabliert. Es gebe regelmäßig Fortbildungen im Bereich Ethik und Demokratieverständnis. Der personelle Austausch mit anderen Polizeieinheiten sei auch mit Blick auf spätere Verwendungen und Aufstiegsmöglichkeiten verstärkt worden. Bei den Auswahlverfahren für Polizeikräfte und deren Einsatz werde die persönliche Grundhaltung und das aktive Einstehen für die Demokratie genauer überprüft und der Verfassungsschutz routinemäßig abgefragt. Die von der Kommission vorgeschlagene Ausgliederung des SEK aus dem Landeskriminalamt und eine Zuordnung zur Bereitschaftspolizei sei aber verworfen worden.
Auslöser der umfassenden Reformbemühungen war die Aufdeckung rassistischer und teilweise rechtsextremistischer Einstellungen bei Mitgliedern des SEK, die sie in Internetchats offenbarten. Bei einer Razzia im Juni 2019 waren zudem bei einem ehemaligen SEK-Mitglied mit Kontakten zur radikalen Prepper-Szene eine Maschinenpistole und mehr als 30.000 Schuss Munition gefunden worden. Der Mann wurde inzwischen rechtskräftig zu einer Bewährungsstrafe wegen Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz verurteilt.
Laut Pegel wurden in der Folge der Vorfälle in der gesamten Landespolizei bislang gegen 18 Beamtinnen und Beamte Disziplinarverfahren aufgrund einer möglichen Verletzung der politischen Treuepflicht eingeleitet. Neun davon betrafen Mitarbeiter des SEK, von denen zwei aus dem Polizeidienst ausgeschieden oder aus dem Beamtenverhältnis entfernt worden seien.
Nach Ansicht von AfD-Fraktionschef Nikolaus Kramer ist das Spezialeinsatzkommando der Polizei weiterhin personell zu klein aufgestellt und schlecht ausgerüstet. Es müsse daher mit Nachdruck in Personalaufwuchs, insbesondere bei den Einsatzeinheiten, und Ausrüstung investiert werden. „Im Terrorfall darf die Rettung von Menschenleben nicht an veralteter Technik, fehlendem Personal oder langen Wegen scheitern“, sagte Kramer.
Ann Christin von Allwörden von der ebenfalls oppositionellen CDU bescheinigte Pegel, die von seinen CDU-Vorgängern im Ministeramt begonnene Umsetzung der Kommissionsvorschläge gut weitergeführt zu haben. Dazu gehöre die Erarbeitung neuer Dienstanweisungen, das standardisierte Personalauswahlverfahren und die Neukonzeption der Schießstätten. Pegels Verdienst sei, das wichtige Thema SEK-Reform nicht für politische Selbstverwirklichung missbraucht zu haben.
FDP-Fraktionschef René Domke begrüßte, dass der SEK-Bericht nun wenigstens teilweise offengelegt worden sei. Der Bericht und die Umsetzung der konkreten Maßnahmen werde den Innenausschuss noch eine Weile beschäftigen. „Dies halte ich auch für zwingend erforderlich, um das beschädigte Ansehen des SEK nach Bekanntwerden von rechtsextremen Umtrieben in den eigenen Reihen wieder in ein positives Licht zu rücken und das Vertrauen in handlungsfähige und verfassungsfeste Strukturen zu erlangen“, so Domke.
Auch Michael Noetzel von der Linksfraktion äußerte sich zufrieden, dass der Bericht nun öffentlich sei. Die Linke habe die Geheimhaltungspraxis unter dem früheren CDU-Minister Lorenz Caffier stets kritisiert. „Polizeibeamte, die Pläne für den Tag X schmieden, Munition horten und Feindeslisten anlegen, sowie ein Innenminister, der sich von einem ehemaligen Gruppenmitglied eine Waffe schenken lässt, haben das Vertrauen in die Behörden nachhaltig erschüttert“, konstatierte Noetzel. Die Verbindung zum Betreiber eines privaten Schießplatzes mit Kontakten zur Prepper-Szene hatte Caffier sein Amt gekostet.
Nach Einschätzung der Grünen-Abgeordneten Constanze Oehlrich versucht Innenminister Pegel mit der Bereitstellung des Abschlussberichts einer juristischen Niederlage zuvorzukommen. „Dieser durch eine Klage ausgelöste Schritt war überfällig. Die jahrelange Geheimhaltung der Untersuchungsergebnisse und Empfehlungen der SEK-Kommission hat sowohl die öffentliche, als auch die parlamentarische Auseinandersetzung mit den Vorfällen beim SEK massiv beeinträchtigt“, beklagte Oehlrich.