Die Wissenschaftsministerin von Mecklenburg-Vorpommern fordert ein konsequentes Vorgehen gegen Antisemitismus in der Gesellschaft. Jenseits der strafrechtlich relevanten Fälle gebe es eine latente Judenfeindlichkeit, sagte Bettina Martin (SPD) am Dienstag in Schwerin bei der Vorstellung der Veranstaltungsreihe „Antisemitismus die Stirn bieten“. Stereotype und antisemitische Bilder tauchen demnach immer wieder auf, dies dürfe nicht geduldet werden.
Die Universität Rostock will mit der offenen Veranstaltungsreihe zu mehr Sensibilität und Bewusstsein für das Thema in der Bildungslandschaft beitragen. Elf Veranstaltungen sollen zwischen dem 19. Oktober und 16. November stattfinden, so Gudrun Heinrich, Leiterin des Instituts für Politik. Diese richten sich vor allem an Lehrkräfte und Lehramtsstudierende, eingeladen sind jedoch auch Menschen aus anderen Feldern der Bildung. Ziel sei es, die Teilnehmer zu Multiplikatoren zu machen, die das Gelernte an Kolleginnen und Kollegen oder andere Studierende weitertragen sollen.
Heinrich machte deutlich, dass eine Auseinandersetzung mit dem Thema mit Fallstricken verbunden sei. Als Beispiel nannte sie die Grenze zwischen legitimer Kritik am staatlichen Handeln Israels und dem israelbezogenen Antisemitismus: Hier gelte es, dem Narrativ „man darf hier nichts mehr sagen“ keinen Vorschub zu leisten. Die Leiterin des Politik-Instituts sieht im Antisemitismus ein Problem, das nicht nur Menschen jüdischen Glaubens betrifft, dieser bedrohe vielmehr das demokratische Selbstverständnis insgesamt.
Aus Sicht von Nikolaus Voss, Beauftragter für Jüdisches Leben in Mecklenburg-Vorpommern, boten auch die Protestbewegungen der vergangenen Jahre – sowohl gegen die Corona-Regeln als auch die Energie-Politik – antisemitistischen Verschwörungsmythen einen Nährboden. Als Beispiel nannte er das Stereotyp der „Globalisten“ als Verursacher der Energiekrise oder aber das Tragen von Davidsternen mit dem Schriftzug „ungeimpft“. Gegen die Judenfeindlichkeit in der Gesellschaft hilft laut Voss nur „bilden, begegnen, bekämpfen“. Bildungsarbeit müsse so früh wie möglich ansetzen, es müsse Möglichkeiten zum persönlichen Kontakt mit Jüdinnen und Juden geben und man müsse dem Antisemitismus den „Raum zum Atmen streitig machen“. Hierzu brauche es Wissen, Bewusstsein und Haltung.
Martin wies am Dienstag zudem auf aktuelle Zahlen zu antisemitisch motivierten Straftaten im Nordosten hin. Im ersten Halbjahr seien 29 gezählt worden, 6 mehr als im selben Zeitraum des Vorjahres. Der strafrechtlich relevante Anteil bilde jedoch nicht das Gesamtbild der Judenfeindlichkeit in der Gesellschaft ab. „In unserer Demokratiearbeit verstärken wir den Fokus auf die Bekämpfung des Antisemitismus“, betonte die Wissenschaftsministerin.
Hierzu gehört auch die Dokumentations- und Informationsstelle Antisemitismus DIA.MV, die von der Landesregierung in den Jahren 2022 bis 2024 mit 163.500 Euro unterstützt wird. Die Organisation kümmert sich den Angaben zufolge um die Dokumentation und Analyse antisemitscher Vorfälle, auch solcher, die unterhalb der strafrechtlichen Relevanz liegen.