Die Energiewende belastet Stromkunden in Mecklenburg-Vorpommern stärker als in anderen Regionen, obwohl das Land einen Überschuss produziert.
„Wir haben eine totale Übersättigung schon in der Region“, sagte Andreas Haak, Geschäftsführer der Wemag Netz, die innerhalb des regionalen Energieversorgers für die Stromnetze zuständig ist. Teilweise speise das Unternehmen das Dreifache der benötigten Menge ins Übertragungsnetz, das den Strom unter anderem nach Süd- und Westdeutschland bringt.
Dass Kunden dennoch eine höhere Stromrechnung haben, liegt unter anderem an den Netzentgelten, also Kosten für die Nutzung der Stromnetze, die neben Einkauf und Vertrieb sowie Steuern und Abgaben ein Hauptbestandteil des Preises sind. Nach Angaben der Wemag sind diese Netzentgelte in den vergangenen Jahren gestiegen. 2017 machten sie demnach ein Drittel des Strompreises der Wemag-Kunden aus. Seitdem sei der Anteil etwas zurückgegangen. Verantwortlich für die Anpassung ist unter anderem das Netzentgeltmodernisierungsgesetz. Hierin wurde geregelt, dass die vier großen Netzbetreiber in Deutschland ihre Investitionen ausgleichen. Alle Bürger in Deutschland zahlen also gleichermaßen dafür, dass Windstrom über neue Leitungen aus dem Nordosten bis nach Bayern kommt.
Aus Sicht der Wemag war das jedoch nur eine Teillösung: Bevor der Strom es bis zu den Übertragungsnetzen schafft, muss er durch regionale Verteilernetze, die ebenfalls im Zuge der Energiewende ausgebaut werden. Wo früher eine Stromleitung von einem Kohlekraftwerk ausreichte, müssen jetzt zig Leitungen zu Wind-, Solar- und anderen Energieanlagen gezogen werden. Laut Wemag tragen die Stromkunden im Nordosten diese Investitionskosten alleine, obwohl in Zukunft auch Menschen in anderen Teilen des Landes profitieren werden.
Wie groß der Unterschied ist, kann man zum Beispiel ablesen, wenn man den Anteil der Netzentgelte an den Stromkosten der Wemag-Kunden mit denen der Würzburger Versorgungs- und Verkehrs-GmbH (WVV) in Bayern vergleicht. Während die Netzentgelte im Nordosten im vergangenen Jahr 26 Prozent ausmachten, lag dieser Anteil in Franken bei 20 Prozent.
Doch dies sei nicht allein ein Problem in Mecklenburg-Vorpommern und auch nicht ein Problem der Energiewende,heißt es aus dem Landesenergieministerium . Die regionale Spreizung der Netzentgelte habe schon vor der Energiewende bestanden und sei vor allem der Aufteilung der Netzregionen in städtische und ländliche Gebiete geschuldet. „Der wachsende Anteil erneuerbarer Energien auf Verteilnetzebene führt dazu, dass die Kosten für den Netzausbau nur regional verteilt werden, der erzeugte Strom jedoch überregional verbraucht wird.“ Wemag-Manager Haak sieht das genauso: Dort, wo wenige Menschen wohnten, könnten leicht neue Energieanlagen gebaut werden. Jedoch gebe es dort nur wenige Abnehmer, so dass der Strom über weite Strecken transportiert werden müsse. Laut Haak leidet darunter nicht nur der dünn besiedelte Nordosten, sondern auch Schleswig-Holstein, Brandenburg oder Teile Bayerns.
Ein städtischer Versorger wie die WVV in Würzburg, der darüber hinaus vor allem Kunden im relativ dicht besiedelten Umland bedient, ist hingegen im Vorteil. Haaks Angaben zufolge ist eine Umverteilung der Kosten zwischen Stadt und Land jedoch nicht ganz einfach, da es nicht auf den ersten Blick klar ist, welche Kosten tatsächlich durch die Energiewende bedingt sind. Es sei eine „große Kunst“, hier eine gute Lösung zu finden, so Haak. Die Landesregierung gibt sich kämpferisch: Sie wird sich dem Energieministerium zufolge weiter für eine gerechte Verteilung der Netzausbaukosten einsetzen, die auf Energiewende zurückzuführen sind.