Viele Einzelhändler stehen wegen der Corona-Geschäftsschließungen mit dem Rücken zur Wand. In Mecklenburg-Vorpommern gehen die Betroffenen unterschiedliche Wege, um auf sich aufmerksam zu machen.
Ob Mitarbeiterversammlungen in der Fußgängerzone oder Kunstausstellungen in den Schaufenstern – die Einzelhändler in Mecklenburg-Vorpommern machen auf ihre Notlage während der Corona-Krise aufmerksam. In der Rostocker Innenstadt haben sich dazu am Donnerstag Mitarbeiter vor ihren Geschäften versammelt. Man wolle den Unternehmen ein Gesicht geben, sagte Diane Nikolaus, Geschäftsführerin eines Modehauses mit 50 Mitarbeitern vor einer ihrer 7 Filialen. Insgesamt hätten sich mehr als 150 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor ihre jeweiligen Läden gestellt – unter Einhaltung der Corona-Regeln. Rostocks Oberbürgermeister Claus Ruhe Madsen (parteilos) ging von Geschäft zu Geschäft und zeigte seine Unterstützung für die Aktion.
In der Innenstadt von Neubrandenburg taten sich die Händler mit ebenfalls gebeutelten Künstlern zusammen. In mehr als 25 Geschäften stellten Maler, Kunstfotografen und Bildhauer ihre Arbeiten in den Schaufenstern neben Mode, Spielsachen oder Medikamenten auf, wie Michael Schröder als Sprecher der Werbegemeinschaft Neubrandenburger Innenstadt sagte. So sollen die Künstler wieder Publikum bekommen und die Händler die Chance erhalten, trotz der Corona-Schließung den Kontakt zu ihren Kunden zu behalten. Die Schaufenster-Kunstschau soll so lange laufen, wie die Ladenschließung andauert.
Die Händler sind wegen des Lockdowns und fehlender Einnahmen zunehmend verzweifelt. Die Rostocker Geschäftsführerin Nikolaus sagte, man nehmen ihnen all das jetzt weg, was sie sich über Jahrzehnte hart erarbeitet hätten. „Wir fühlen uns wirklich enteignet.“ Die Unterstützungen reichten bei weitem nicht. Die Zugangshürden für die Beantragung der Überbrückungshilfen seien für ihre Branche unrealistisch. „Wir haben sie bisher nicht ein einziges Mal bekommen können.“
Michael Schröder, Vorsitzende der Werbegemeinschaft Neubrandenburger Innenstadt e.V. forderte, dass die im Nordosten geplante „Marktpräsenzprämie“ auch an Händler fließen soll, die nicht in Tourismusgebieten arbeiten. Die Händler abseits touristischer Zentren seien genauso betroffen wie ihre Kollegen. Als Beispiele nannte Schröder Städte wie Anklam, Neubrandenburg, Neustrelitz oder Waren an der Müritz. Nach bisherigen Planungen des Landes solle die 5000-Euro-Zuwendung an Handelseinrichtungen in Tourismusgebieten fließen, weil diese wegen der seit Wochen fehlenden Hotel- und Urlaubsgäste einem enormen Rückgang an Käufern hätten.
Nach Angaben des Branchenverbandes HDE musste der vom Lockdown betroffene Einzelhandel bundesweit im vergangenen Jahr Umsatzeinbußen in Höhe von 36 Milliarden Euro hinnehmen. Mit Stand 19. Dezember 2020 habe der gesamte deutsche Einzelhandel Überbrückungshilfen in Höhe von lediglich 90 Millionen Euro erhalten, kritisierte der Verband.
Nach Zahlen des Statistischen Bundesamts stieg jedoch der Umsatz des gesamten Einzelhandels im Jahr 2020 trotz aller Widrigkeiten um 5,3 Prozent. Vor allem der Onlinehandel boomte, auch Lebensmittelhändler sowie Möbel- und Heimwerkermärkte machten gute Geschäfte. Der Textilhandel stürzte dagegen tief in die Krise.
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